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Earthship Eingang

Earthship Deutschland

„Stellt Euch ein Haus vor, das sich selbst heizt, sein Wasser liefert, Essen produziert. Es braucht keine teure Technologie, recycelt seinen eigenen Abfall, hat seine eigenen Energiequellen. Es kann überall und von jedem gebaut werden, aus Dingen, die unsere Gesellschaft wegwirft.“ – Michael Reynolds

Die Vision des amerikanischen Architekten Michael Reynolds klingt wie aus einem Traum. Klimawandel und Umweltverschmutzung machen nachhaltige Bauweisen immer attraktiver, aber schon in den 70er Jahren hat der heute sehr erfolgreiche und geschätzte Erfinder ein klimafreundliches Haus entwickelt: Das Earthship.

Was ist ein Earthship?

Ein Earthship-Haus besteht ausschließlich aus nachhaltigen Baumaterialien. Die Baustoffe sind überall auf der Welt im Überfluss vorhanden und werden durch den Hausbau nachhaltig recycelt oder kommen aus erneuerbaren Quellen, z.B. Holz. Die Häuser beziehen Energie aus natürlichen Energiequellen und können komplett autark sein. Des Weiteren soll der Bau der Earthships (Erdschiffe) ohne besondere Vorkenntnisse oder handwerkliches Geschick und ohne großen finanziellen Aufwand möglich sein.

Der amerikanische Architekt Michael Reynolds entwickelte das Konzept der nachhaltigen Häuser zwar schon in den 1970ern, aber es bekam erst um die Jahrhundertwende die Aufmerksamkeit der Medien. Seit dem verbreitet es sich rasant: Mittlerweile gibt es rund 3000 Earthships in Süd-Afrika, Amerika sowie Europa.

Was kostet ein Earthship Haus?

Je nach Earthship-Modell und Grundstrücksgröße variiert der Preis der Häuser. Generell kann man mit einer Summe von 200.000 bis 500.000 Dollar für den Bau eines Einfamilien-Earthships rechnen (etwa 195.000-490.000 Euro). Auf den ersten Blick erscheint das zwar nicht viel kostengünstiger als ein herkömmliches Haus, aber auf die Dauer rechnet sich die Investition: Es fallen nämlich keine laufenden Kosten an!

Als erstes Earthship-Projekt in Deutschland, gelegen im Baden-Württembergischen Ökodorf Schloss Tempelhof, war das Gemeinschaftsprojekt mit einer Summe von rund 500.000 Euro daher eher teuer. Das Haus bietet dagegen aber auch ein Zuhause für 25 Personen.

Wie baut man ein Earthship? Das Prinzip der Bauweise

Nachhaltiges Wohnen spielt im Konzept der Earthships eine zentrale Rolle. So soll ein Earthship einen komfortablen Wohnraum für Menschen bieten, ohne die Natur durch Treibhausgas-Ausstoß zu belasten. Die Architektur und Bauweise des Hauses versorgt den Bewohner komplett.

Earthship Häuser müssen sehr gut geplant sein, damit alle Versorgungskreisläufe einwandfrei funktionieren. Das Prinzip der Bauweise basiert auf den klassischen menschlichen Bedürfnissen in Bezug auf das Wohnen:

  1. Energie
  2. Sauberes Wasser
  3. Müllmanagement
  4. Abwasserbehandlung
  5. Unterkunft
  6. Nahrung

Jeder dieser Bedürfnisse wird beim Bau eines Earthship-Hauses berücksichtigt und so nachhaltig wie möglich gestaltet. Das Earthship Haus ist so ausgerichtet, dass es die natürliche Umgebung am effizientesten für die Versorgung seiner Bewohner nutzen kann. Eine Fensterfront im Süden und ein Wall aus Erde im Norden, sogar die Winkel der Fenster müssen vor dem Bau berechnet werden.

Energie: Heizung und Klimatisierung im Haus durch Solar- und Windstrom

Photovoltaik auf dem Dach gewinnen Energie von der Sonne und beheizen das Earthship. Sie speichern die Wärme und leiten diese in Form von warmer Luft über Oberlichter in das Haus. Mit einem Klappensytem, dass über einen Seilzug bedient wird, kann die Temperatur kontrolliert werden. Im Sommer wird die überflüssige Wärme abgeführt, indem die warme Luft nach oben steigt und kalte Luft durch Fenster und Erdregister nachgeführt wird. So kann man damit auch an heißen Tagen eine kühle Brise ins Haus leiten, ganz ohne Strom oder Gas!

Earthship
Auhtor: Wikimedia Commons/Jenny Parkins Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/deed.en

Je nach Klima und Lage des Earthships ist nicht nur Solar als Energiequelle sinnvoll, sondern auch die Nutzung von Wind kann Strom gewinnen. Der vom Haus produzierte Strom wird in leistungsstarken Batterien, sogenannten „Power Organizing Modules“ (POM) gespeichert, die Gleichstrom beziehungsweise Wechselstrom im ganzen Haus bereitstellen.

Earthship Solar

Wasserversorgung: Gewinnung und Langzeit-Speicher

Die Wasserversorgung beim Earthship-Haus ist prinzipiell recht einfach:
Das Regenwasser wird auf dem Dach gesammelt und durch eine Kiesfilterung in unterirdische Zisternen geleitet. Das Wasser durchläuft dann weitere Filteranlagen, bis es schließlich trinkbar ist. Reynolds Modell sieht vor, dass jeder Wassertropfen bis zu 4-mal an verschiedenen Orten des Earthships verwendet wird. Deshalb hat jedes Waschbecken in einem Earthship zwei Wasserhähne: einen für Trinkwasser und einen anderen für alle anderen Anwendungsbereiche.

Die originalen Pläne von Architekt Michael Reynolds konzipieren das Earthship-Haus derartig autark, dass es nicht an ein externes Wassernetz angeschlossen werden muss. In Europa ist das allerdings eine kompliziertere Angelegenheit: Bei uns darf nämlich kein recyceltes Wasser, auch wenn es keine menschen-bedingte Verschmutzung enthält, als Trinkwasser verwendet werden. In Deutschland muss ein Earthship deshalb trotzdem an das städtische Wassernetz angeschlossen werden, denn recyceltes Wasser darf hier nur für die Waschmaschine und Toilettenspülung verwendet werden.

Earthship Dach

Müll- und Abwassermanagement: Integration von Recycling in den Bau und das tägliche Leben

Aufgrund der Klimafreundlichkeit der Gebäude, laden Erdschiffe dazu ein bewusster mit Ressourcen und Abfall umzugehen. Recycling ist nicht nur für das Earthship-bauen notwendig aber auch im täglichen Leben.

Beim Abwasser im Earthship unterscheidet man zwischen Grau- und Schwarzwasser. Grauwasser ist Abwasser, das nicht mit Fäkalien in Kontakt gekommen ist, aber auch nicht mehr als Trinkwasser verwendet werden kann. Das Earthship filtert dieses Grauwasser grob und befreit es von Fetten und Feststoffen. Dann wird das Wasser in die Pflanzenbeete im Inneren des Hauses geleitet. Sobald das Wasser durch die Beete gesickert ist wird es in einem Reservoir gesammelt und erneut gefiltert. Letztendlich dient es als Toilettenspülung.

Manche Earthship Häuser haben ihre eigene Solar-Kläranlage, die das mit Fäkalien belastete Schwarzwasser mit Hilfe von Bakterien reinigt. Dieses Wasser kann danach zur Bewässerung von Zierpflanzen und Bäumen verwendet werden.

Earthship Fenster

Unterkunft: Gebäude mit natürlichen und recycelten Materialien

Ein Earthship ist deshalb so besonders, weil es hauptsächlich aus natürlichen oder recycelten Baumaterialien besteht. Das Haus wird nämlich teilweise unter die Erde gebaut beziehungsweise in einen künstlichen Wall integriert. Die Wände werden zum Beispiel durch alte Autoreifen getragen. Da die Reifen mit Erde und Lehm gefüllt sind, besitzen neben ihrer Stabilität ganz hervorragende Dämmeigenschaften und sind nahezu unbrennbar. Damit sind sie nicht nur ideale Baustoffe, sondern bieten auch eine umweltfreundliche Alternative: Denn allein in Deutschland landen jährlich 650.000 Tonnen Autoreifen auf dem Müll.

Neben den Autoreifen kommen auch andere Abfallprodukte zum Einsatz: Glasflaschen. Die Böden der Flaschen werden abgeschnitten und als Lichtquelle in die Wand eingelassen. So spenden diese Glasflaschen-Fenster genügend Licht für die innen angelegten Pflanzenbeete.

Oft wird auch das Dach durch Autoreifen, und Balken aus Holz verstärkt. Auch alte oder sogar zerbrochene Kacheln und Fliesen kommen zum Einsatz und werden im Haus als Dekoration verarbeitet. So ist jedes Earthship-Haus nicht nur gut für die Natur, sondern auch einzigartig!

Earthship Wand

Nahrung: Eigene Produktionskapazität für Bio-Lebensmittel

Ein wichtiger Bestandteil des Earthships ist der Pflanzenanbau im Inneren des Hauses. Dort können Kräuter, Obst und Gemüse, wie Tomaten, Gurken, Beeren und ähnliches wie in einem Gewächshaus gepflanzt werden. In den meisten Fällen bauen die Bewohner auch Obstbäume und Gemüsebeete im Garten an. Die Wasserfilteranlagen im Haus bewässern die Pflanzen selbstständig, ohne dass Menschen einen Finger rühren müssen. Zusätzlich wird das Haus mit frischer und sauberer Atemluft versorgt. In einem Earthship kommt also frisches und nachhaltig angebautes Obst und Gemüse direkt im Wohnzimmer aus der Erde!

Kritik am Earthship-Haus

In Europa ist es noch immer schwierig, Michael Reynolds Konzept umzusetzen. In Belgien, zum Beispiel, ist das Bauen mit Autoreifen verboten, da aus den Reifen Blei oder Zink von der Erde ins Grundwasser gelangen könnten. Deutschlands Earthships werden zwar mit Workshops zu Permakultur und Bauen gefördert aber auch hier gelten strenge Auflagen. Wegen Bauauflagen muss das potenziell autarke Gebäude an Nahwärme, Strom und Wasser angeschlossen werden und auch Regenwasser ist laut Gesundheitsamt nicht zum Trinken geeignet.

Laut dem Erfinder ist das Earthship-Konzept baulich nicht für das mitteleuropäische Klima ausgelegt. Vor allem Wärmebrücken, Schimmelbildung, Erdtemperatur von nur 11 ºC, fehlende solare Energieeinstrahlung und Temperierung, ungeeignete Baustoffe und Bauausführung stellen hier eine große Herausforderung dar.

Wenn die Umgebung zu Feucht ist, sammelt sich Wasser leicht innerhalb der Wände und führt zu Schimmel und den damit verbundenen Gesundheitsproblemen.

Der Bau von einem Earthship Haus dauert lange und es kann zwischen 2 und 3 Jahren dauern, bis sich die natürliche Temperaturregelung einspielt.

Obwohl das Earthship für Jeder-Mann/Frau beworben wird, ist es in Wirklichkeit eine recht teuere Angelegenheit. Vor allem wenn man nicht viele Freunde hat die Zeit und Materialien gratis zur Verfügung stellen (können).

Durch seinen einzigartigen Look sowie die verwendeten Materialien (für die meisten Menschen Abfall) kann es schwierig sein ein Earthship Haus wieder zu verkaufen.

Earthship von außen

Earthship Deutschand – Ökosiedlung Tempelhof: Ein Haus aus alten Reifen, Dosen und Flaschen

2016 wurde das erste deutsche Earthship von einer Gemeinschaft freiwilliger Helfer und Studenten auf Schloss Tempelhof, in Kreßberg bei Crailsheim gebaut. Die Gemeinschaft des Schloss Tempelhof nahm Ihre Inspiration direkt vom Erfinder und wollte das Earthship Haus anhand originaler Baupläne bauen. Aufgrund der mitteleuropäischen Lage mussten aber einige kleine Modifizierungen vorgenommen werden, damit man in dem Gebäude tatsächlich wohnen und leben kann. Die Decke ist zum Beispiel nicht hinterlüftet und enthält zudem ein Baumwolltextil und fünf Zentimeter Schafwolldämmung. Zudem mussten die Wasserversorgung und das Stromnetz an die deutsche Gesetzgebung und natürlichen Anforderungen angepasst werden.

Für die Gemeinschaft von. 25 Personen ist das Experiment geglückt und sie können heute das deutsche Earthship gemeinschaftlich bewohnen. Rund um das Earthship, das mit Küche, Bad, Ess- und Wohnzimmer ausgestattet ist, sind private Schlafstätten in sogenannten Jurten. Im bereits etablierten Ökodorf gelegen und im Fokus der Medien, konnten die Genehmigungen von den Behörden schneller und unkomplizierter eingeholt werden.

Weitere Earthships werden zurzeit in direkter Kooperation mit Michael Reynolds geplant. Der Architekt möchte nun mit Sara Serodio und Earthship Biotecture 3 neue Earthships in Deutschland bauen. Leider ist das Projekt dank Pandemie erst mal aufs Eis gelegt worden. Aber eins ist sicher: Earthships haben eine vielversprechende Zukunft! 🌱

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Bildquellen

  • Earthship-Eingang: iStock/gnagel
  • Earthship-Solar: iStock/gnagel
  • Earthship-Dach: iStock/helovi
  • Earthship-Fenster: iStock/RoschetzkyIstockPhoto
  • Earthship-Wand: iStock/ALDodson
  • Earthship-von-aussen: iStock/gnagel